Taxonomie
Lanthanotus ist aufgrund seiner Urtümlichkeit verstärkt Gegenstand der biologischen Wissenschaft und hat eine bewegte, taxonomische Geschichte.
Steindachner ordnete die Echse auf Grund ihrer in der Echsenwelt einmaligen Merkmale in eine eigene Familie ein, den Lanthanotidae (Steindachner, F., 1877).
Rund 20 Jahre nach dieser Erstklassifizierung stellte der belgische Herpetologe George Albert Boulenger Lanthanotus zu den in Amerika beheimateten Krustenechsen (Helodermatidae). Er glaubte, aufgrund einiger ähnlicher Merkmale (z.B. Körperform, gespaltenen Zunge) ein verwandtschaftliches Verhältnis zwischen dem Taubwaran und der Familie der Krustenechsen feststellen zu können (McDowell, Jr., S.B. & Bogert, C.M., 1954). Erst 1954 änderte sich diese taxonomische Einordnung erneut. Mac Dowell und Bogert, die sich intensiv mit den amerikanischen Gilamonstern und ihren Verwandten aus Mittelamerika und Mexico wissenschaftlich auseinandersetzten, verwarfen die vermeintliche Ähnlichkeit von Lanthanotus mit den Helodermatidae als zufällig (evolutionäre Konvergenz) und stellten den Taubwaran nunmehr taxonomisch zwischen die Krustenechsen und die Warane (Varanoidea) (McDowell, Jr., S.B. & Bogert, C.M., 1954).
Die eigentliche taxonomische Neuerung war aber, daß aufgrund der Ähnlichkeiten mit Schlangen Lanthanotus nunmehr als schlangenverwandt eingestuft wurde.
Aber auch diese Eingruppierung war nie eindeutig und wurde im Laufe der Zeit durch zwei Ereignisse erneut grundlegend erschüttert.
Zum einen durch eine bahnbrechende Änderung in der wissenschaftlichen Klassifizierungsmethodik.
Die vom deutschen Biologen Willi Hennig begründete phylogenetische Systematik basiert nicht auf „Ähnlichkeiten“ oder „typischen Merkmalen“, sondern ausschließlich auf genealogischer Verwandtschaft, die aus der zeitlichen Abfolge der Verzweigung in der Stammesgeschichte (Pylogenese) resultiert. Zwei Arten sind umso näher verwandt, je kürzer zurück ihr letzter gemeinsamer Vorfahre liegt. Im Gegensatz zur typologischen (merkmalsbezogenen) Systematik hat die Phylogenetische Systematik eine objektive Grundlage, den historischen Prozess der Stammesgeschichte. Fossilfunde können daher der Schlüssel zur systematischen Einordnung sein (Richter, S., 2013).
Lanthanotus weist schlangenähnliche Merkmale auf (z.B. reduzierte Augen, gespaltene Zunge, länglicher Körper). Diese Merkmale finden sich aber auch bei anderen Echsen (Rieppel, O., 1983).
Gänzlich erschüttert wurde die These von der engen Schlangenverwandtschaft der Taubwarane durch ca. 75 Mio. Jahre alte Fossilfunde aus der Wüste Gobi. Die polnische Paläontologin Magdalena Borsuk- Bialynika fand hier fossile Überreste einer Echse, die sie Cherminotus nannte, die bis auf kleine Unterschiede mit Lanthanotus morphologisch nahezu identisch zu sein schien (Borsuk-Bialynika, M. 1984). Allerdings ist diese Einstufung unter Paläoherpetologen nicht unumstritten (mdl. Mitteilung Smith,K.).
Für die systematische Einordnung des Taubwarans bedeutete dies jedenfalls: Zurück auf Los bzw. Zurück zum Anfang.
Die momentan vorherrschende Lehre gruppiert- wie schon Steindachner- den Taubwaran in eine eigene Familie ein mit näherer systematischen Verbindung zu der Familie der Warane und Krustenechsen. Abseits der trockenen Theorie sei bereits hier auf Beobachtungen von Kommentkämpfen zwischen männlichen Taubwaranen hingewiesen, die frappierende Ähnlichkeit mit entsprechenden Kampfritualen zwischen männlichen Vertretern der Warane und Krustenechsen haben.
Holotypus Lanthanotus borneensis, Naturhistorisches Museum Wien